Wenn Sinnkrisen auf Klimakrisen treffen

Klimawandel & Sinnkrise

Die Quarter Life Crisis ist die Sinnkrise der Mittzwanziger. Diese Lebensphase ist geprägt durch große Umbrüche und Unsicherheiten. Durch ein Mehr an Verantwortung und ein Mehr an Entscheidungen. Wie jede Krise birgt auch die Quarter Life Crisis eine Chance in sich. Denn stark ist, wer aus der Krise gestärkt hervorgeht. Und das ist auch die frohe Botschaft an all jene, die die Quarter Life Crisis in einer Ära durchleben, in der die Menschheit drauf und dran ist, diesen Planeten an die Wand zu fahren: Wenn ihr da wieder rauskommt, dann so richtig!

Die Quarter Life Crisis als Lebensphase der Veränderung 

Den Begriff der Quarter Life Crisis gibt es seit den 1990er Jahren. Viele Menschen, die eine Quarter Life Crisis durchleben sind (angehende) AkademikerInnen am Ende der Ausbildung. Sie befinden sich in einer der großen Lebensphasen der Umbrüche. Nach dem Verlassen des Elternhauses zwischen 16 und 20 geht es nun darum, sich als erwachsene Menschen eigenständig in der Welt zu behaupten. Wobei noch nicht klar ist, wie dieser Weg aussieht, wer diesen mit einem gehen soll und wer man selbst auf diesem Weg sein will. Die Quarter Life Crisis ist eine der großen Sinnkrisen im Leben. In vielen Fällen folgt einige Jahre später die Lebensphase der Familiengründung, gefolgt von Abschieden von geliebten Menschen und Trennungen, der Wiedereinstieg, der Karrierewechsel, die Mid Life Crisis, womöglich ein Umzug oder mehrere und last but not least die Pensionierung. Und wenn wir es noch erleben und durchdenken dürfen, zuletzt die Vorbereitung auf den nahenden Tod und die Verabschiedung von diesem Leben.

Krisenpotential gibt es also auch in Zukunft noch genug. Und dieses Krisenpotential ist da, weil unser Leben sich verändert. Immer ein bisschen und manchmal so richtig. Bis zum Schluss. Die Quarter Life Crisis ist so gesehen unser erstes Übungsfeld im realen Veränderungsmanagement.

Wen findet sie Sinnkrise zuerst?

Phasen der Veränderung in unserem Leben führen bei manchen zu Krisen und bei manchen nicht. Besonders anfällig sind Menschen, die viel nachdenken und grübeln. Wer viel grübelt hat viele Fragen im Kopf und diese bleiben in dieser Umbruchphase oft unbeantwortet. Auch Unsicherheit begünstigt die Quarter Life Crisis. Unsicherheit über den künftigen Job, den richtigen Partner oder die richtige Partnerin oder Unsicherheit über den bereits gegangenen Weg. Menschen, die sich zu einer bestimmten Tätigkeit berufen fühlen, landen seltener in einer Sinnkrise. Hohe Ansprüche an sich selbst und sein Leben und systemkritisches Denken begünstigen die Quarter Life Crisis ebenso. Denn mal ganz ehrlich: in einer Welt, die sich gerade selbst an die Wand fährt, was wäre da der richtige Job? Ökosoziale Diktatorin? Konsumverweigerer? Und kann man damit Geld verdienen?

Auch Menschen, die Zukunftsängste haben, gerne Dinge in Frage stellen und sich mit dem Status Quo nicht zufriedengeben, sind begünstigt, eine Sinnkrise zu bekommen. Diese Aufzählung ist bei weitem nicht vollständig und doch fällt eines auf: Die Sinnkrise findet die GestalterInnen zuerst: Menschen, die viele Möglichkeiten sehen, die reflektiert sind und die mitgestalten möchten. Menschen, die die drohende Klimakatastrophe aufhalten möchten und Menschen, die der Quarter Life Crisis erliegen, haben demnach eine große Überschneidungsmenge.

Wie überstehe ich meine Quarter Life Crisis während der globalen Klimakrise?

Was bedeutet das nun für mich als Mensch in der doppelten Krise? Was hilft aus der Sinnkrise unter diesen Rahmenbedingungen heraus? Und können wir im persönlichen Veränderungs-Coaching etwa auch lernen, die Welt zu retten?

1. MERKE: Dein stärkstes Selbst entsteht außerhalb deiner Komfortzone 

Wer bin ich und wer will ich sein? Das lernen wir nicht in der Schule und das ist auch kein statisches Wesen. Wir Menschen entwickeln uns weiter. Im optimalen Fall verbessern wir uns. Wir lernen dazu. Und wir können auch stärker werden, wenn wir uns trauen.

Sein stärkstes Selbst leben zu können, bedeutet, es zuerst einmal zu finden. Und das stärkste Selbst hat keinen Cocktail in der Hand und steckt die Füße in den Sand. Das stärkste Selbst reibt sich an grenzwertigen Erfahrungen außerhalb der eigenen Komfortzone. Meinem stärkstes Selbst bin ich in meinem Leben 4mal begegnet. Einmal als ich auf dem Beifahrersitz fast gestorben wäre, weil der Fahrer einen epileptischen Anfall auf der Autobahn hatte. Einmal als ich die Hand meiner Mutter hielt, während sie für immer zu atmen aufhörte. Und zweimal, als ich jeweils ein 4 Kilo Baby unter großen Schmerzen und Gebrüll aus meiner Vagina presste. Wir Menschen wachsen an unseren Aufgaben. Und je herausfordernder die Aufgaben, desto eher bekommen wir die Möglichkeit, selbst zu wachsen und stark zu werden. 

Also auch wenn wir es uns gerade sehr gemütlich gemacht haben, voll versorgt im gemachten Nest: RAUS DA! Das gilt übrigens auch für unsere gemütlichen Konsum- und Mobilitätsgewohnheiten. Die Komfortzone ist zukünftig nicht mehr der place to be. 

2. Wir lernen am meisten durch Fehler, darum sollten wir viele davon machen

Um herauszufinden, was man will muss man öfter mal scheitern. Und das ist anfänglich eher bedrohlich. Wer hat schon gelernt, in Würde zu scheitern? Selten wer. Aber wir können es lernen und sollten es auch. Denn aus seinen Fehlern lernt man am meisten. Und je mehr Fehler wir machen, desto fehlerfreier können wir zukünftig leben. Wir tragen durch würdevolles Scheitern auch dazu bei, dass sich in unserer Gesellschaft eine Fehlerkultur weiterentwickelt. Diese brauchen wir privat und auch gesellschaftlich.

Es kommt in der Quarter Life Crisis öfter vor, dass man sich aus Angst vor Fehlentscheidungen gar nicht entscheiden traut. Das Herumgeeiere vor jeder Entscheidung steht in vielen Fällen aber nicht dafür. Denn egal was passiert, wir lernen und entwickeln uns weiter. Und in unserer heutigen Welt gibt es immer mehrere Wege, die uns ans Ziel führen.

Wir wissen ja auch nur über die fatalen Auswirkungen des steigenden CO² Ausstoßes in unserer Atmosphäre, weil wir es vorher ordentlich versemmelt haben. Wir haben als Menschen Fehler gemacht. Zu Beginn unwissentlich. Mittlerweile vorsätzlich. Und aus diesen Fehlern haben wir sehr viel gelernt. Wir haben gelernt, was zu tun ist, um den Planeten resilient zu erhalten.

3. Vom Wissen zum Handeln zu kommen kann irritieren

Jetzt müssen wir es tun. Alles das, was wir gelernt haben. Wir müssen unsere Lebens- und Wirtschaftsweisen den uns mittlerweile bewussten restriktiven atmosphärischen Rahmenbedingungen anpassen. Wir müssen uns verändern. Unser Denken und unser Handeln. Und da kommt nun erschwerend hinzu, dass wir Menschen Gewohnheitstiere sind. Wir haben evolutionär nicht gelernt, kollektiv rasch auf Veränderungen zu reagieren. Wir halten an Gewohnheiten fest. Auch an fehlerhaften Gewohnheiten, solange sie nicht weh tun. Wir sehnen uns nach Beständigkeit und Kontinuität während wir uns in einer trügerischen Sicherheit wähnen. Weil nix weh tut und weil der Teufel, den wir riefen, sich in unserem Alltag nicht zeigt. Das Klima entwickelt sich still und heimlich hinter Wolken und Bergen zu einer unerbitterlichen Fratze.

Auch in der Quarter Life Crisis sehnen sich viele nach Beständigkeit. Danach, dass alles weiterlaufen möge wie bisher. So rundum versorgt, unbeschwert und gemütlich. Das Gewohnheitstier in uns ist stärker als der Veränderungsmensch. Noch. Denn wir können das ändern! Sowohl in der Sinnkrise als auch in der Klimakrise gilt es als vernunftbegabte Individuen Veränderungen zu gestalten.

Veränderungen passieren allerdings nicht, während man im gemachten Nest liegt und sich mit seinen Zehen spielt. Warum auch? Gibt da ja überhaupt keinen Grund dafür. Veränderungen werden durch Systemirritationen ausgelöst. Durch ein Verlassen der Komfortzone. Freiwillig oder unfreiwillig. Die Veränderung beginnt im besten Fall, wenn man fliegen lernt uns aus dem Nest flattert. Im schlechtesten Fall, wenn man rausgeworfen wird. Your Choice. 

4. Wie wir den Veränderungsmensch stärker als das Gewohnheitstier in uns machen

Also trefft in euren Sinnkrisen ein paar Entscheidungen, die euch aus eurer Komfortzone rausholen. Habt dabei Mut zu Fehlern. Oft zeigt sich wirklich erst Jahre später, was aus Entscheidungen Schönes reifen durfte. Freut euch darauf. Entscheidet etwas Verrücktes. Für euer Wohlbefinden und zum Gemeinwohl aller. Verursacht Systemirritationen auf unterschiedlichen Ebenen. Schafft Unordnung und Verwirrtheit. Denn Verwirrung ist die Vorstufe der Klarheit. Immer übrigens.

Und dann lasst die Irritation wirken und die Veränderung beginnen. Erarbeitet neue Perspektiven aus der neuen Position heraus. Für euch und den Planeten. Und stärkt euch in Hoffnung. Hoffnung ist neben Motivation der Ursprung jeder positiven Veränderung in unserem Leben. Arbeitet an eurer Resilienz. Die Grundwerte resilienter Menschen sind Optimismus, Lösungsorientiertheit und Akzeptanz. Diese gilt es zu stärken. Auch weil ein schwächelndes Ökosystem Erde psychisch resiliente Menschen braucht. Die alternative wäre Massenpanik.

Die Quarter Life Crisis birgt wie alle Sinnkrisen eine Chance der Veränderung. Der positiven Veränderung. Und wie jede Krise kann auch die Sinnkrise in unseren Mittzwanzigern eine gute Lehrmeisterin sein. Denn stark ist, wer aus der Krise gestärkt hervorgeht. Und das ist im Nachhinein betrachtet das Wunderbare an unseren Lebenskrisen: sie machen uns, wenn wir sie durchwandert sind, stärker, weiser und oft auch zufriedener. Und das können wir alle gut brauchen. Nicht nur für unsere persönlichen Sinnkrisen, in denen wir gerade stecken oder auf welche wir zusteuern. Sondern vor allem für das weitere Leben in Zeiten der globalen Klimakatastrophe. Ihre Fratze kann ich hinter den Bergen schon sehen.

Maria Lackner

Maria Lackner ist Unternehmensberaterin, Auditorin für das Gütesiegel Beruf und Familie, Prozessbegleiterin und systemische Coachin. Ihre Herzensthemen sind Effizienz, Resilienz, Vereinbarkeit und Nachhaltigkeit.

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